(R)evolution: anders machen, um es bes­ser zu machen?

Stel­len Sie sich einen unse­rer Vor­fah­ren vor, einen Homo erec­tus bei­spiels­wei­se, den wir trotz sei­nes latei­ni­schen und etwas per­emp­to­ri­schen Namens ger­ne für nicht so intel­li­gent wie uns hal­ten. Er wür­de natür­lich aus Afri­ka stam­men. Er hät­te ver­ges­sen, vor mehr als einer Mil­li­on Jah­ren, sei­nen Kame­ra­den u.a. in Rich­tung Euro­pa zu fol­gen. Dann, Anfang 2018, wür­de er die Rou­te zu den Küs­ten Nord­afri­kas neh­men, vor­aus­ge­setzt, er über­le­be sei­ne Rei­se aus den Tie­fen des afri­ka­ni­schen Kon­ti­nents. Man hät­te ihm nichts ent­wen­det, da er ja von Anfang an nichts besaß. Glück­li­cher Mensch. Viel­leicht hät­te er mei­nen Arti­kel „Mor­gen fängt schon heu­te an“ vom Dezem­ber 2016 auf mei­nem Blog gele­sen und sich mit dem klei­nen Prin­zen irgend­wo in der Wüs­te ange­freun­det. Zurück in der har­ten Rea­li­tät, wäre er auf etwas gestie­gen, das alles ande­re als ein Boot erschien – oder genau­er gesagt, er wür­de sich auf eini­gen Holz­bret­tern mit sei­nen afri­ka­ni­schen Nach­kom­men, die man schon lan­ge ihrer Mensch­lich­keit beraubt hat­te, auf eine Über­fahrt bege­ben, die kei­ne Kreuz­fahrt war. Mit etwas Glück wür­de er in Euro­pa oder zumin­dest am Ende der Brust die­ser Göt­tin ankom­men, die nicht wirk­lich den Wil­len (und auch nicht die Fähig­keit) ihn zu stil­len hat­te. Außer­dem wür­de Euro­pa ihm sofort klar­ma­chen, dass es kein Abfall­ei­mer ist, in den man das gesam­te mensch­li­che Elend abla­gern wür­de. Den­noch hät­te Euro­pa unzäh­li­ge Müll­ei­mer, die es von ihm und sei­nen unlieb­sa­men Gleich­ar­ti­gen geleert wer­den woll­te. Ach, der Unter­schied zwi­schen Haben und Sein … er berühr­te damit das Herz des wesent­li­chen Pro­blems unse­rer selbst­ge­nann­ten Zivilisation.

Anstatt wie sei­ne ent­fern­ten Kame­ra­den nach Asi­en zu gehen, hät­te er dar­an gedacht in die USA zu gehen. Aber ein Visum hät­te er nicht bekom­men: er wäre grund­sätz­lich suspekt, weil er zwei­fel­los Afri­ka­ner war. Das Land der Frei­heit, hät­te er gele­sen. Ein trump l’oeil hät­te er gedacht.

Sei­ne angeb­lich wei­ter­ent­wi­ckel­ten Nach­kom­men wür­den ihm die mensch­li­che Evo­lu­ti­on näher­brin­gen. Und da hät­te er natür­lich Ver­ständ­nis­pro­ble­me. Man wür­de mit ihm über Künst­li­che Intel­li­genz mit Groß­buch­sta­ben spre­chen. Er wür­de naiv ant­wor­ten. „Und natür­li­che Intel­li­genz, ist sie end­lich (wie­der) ent­deckt wor­den? Wer­det ihr sie ver­bes­sern?“. Ver­ständ­nis­lo­sig­keit sei­ner Gesprächs­part­ner. Man wür­de ihn von oben her­ab mit Big Data behan­deln. Und er wür­de ruhig fra­gen: „Was ist mit süßen klei­nen Wor­ten?“. Nach die­sem Dia­log der Tau­ben wür­den sei­ne ver­zwei­fel­ten Nach­kom­men die Bit­co­ins, Droh­nen, Inter­net of Things, vir­tu­el­le Rea­li­tät (…) und 3D Dru­cker in ihren Taschen las­sen, die sie ihm gera­de von ihrem vir­tu­el­len Sockel hin­wer­fen wollten.

Ehr­lich wür­de er ver­su­chen, sich an sei­ne – feind­li­che – Umge­bung anzu­pas­sen, und wür­de bedau­ern, Charles Dar­win nicht gele­sen zu haben. Er hät­te weder die „Per­si­schen Brie­fe“ noch „Gul­li­vers Rei­sen“ gele­sen, hät­te aber auch genug über sei­ne Odys­see zu erzäh­len. Man wür­de ihm auch nicht ver­schwei­gen – zwar in einer stau­bi­gen For­mel, die die Rea­li­tät abschnei­det – dass der Mensch vom Affen abstamm­te. Auf jeden Fall wür­de er beob­ach­ten, dass eini­ge sogar vom Baum gefal­len waren und eini­ge von ihnen sogar noch tie­fer, weil sie fernsehen.

Ein biss­chen müde, aber immer guten Wil­lens und in guter Intel­li­genz hät­te er mit mir auf der Ter­ras­se eines Cafés geses­sen, um das Glas der Freund­schaft zu trin­ken. Wir hät­ten uns dann sofort dar­auf geei­nigt, nicht umzu­keh­ren, so wie es alle Mies­ma­cher und Uto­pis­ten emp­fah­len, son­dern einen mensch­li­che­ren Pfad der Mensch­heit ein­zu­schla­gen. Wenn er sich von mir ver­ab­schie­det hät­te, hät­te er mich noch freund­li­cher­wei­se geschimpft, dass ich ihn gegen sei­nen Wil­len aus sei­ner Hei­mat genom­men hat­te. Er wäre ger­ne dort­ge­blie­ben, unter der afri­ka­ni­schen Son­ne, wenn er nur kön­nen hät­te … zu guter Letzt, hät­te er mir gesagt, dass wir dazu gedrillt wer­den, mehr zu tun anstatt es bes­ser zu tun. „Wie wäre es, wenn“, wür­de er mir als Ein­la­dung vor­schla­gen, „jede und jeder von euch im Jahr 2018 ver­su­chen wür­de, ein Homo huma­nus zu wer­den? Nur dann könn­tet ihr wirk­lich über (R)Evolution reden“. Ver­ständ­nis­in­ni­ges Augen­zwin­kern zwi­schen ihm und mir. Und er setz­te sei­ne Odys­see ruhig in Rich­tung Hori­zont fort …