Brexit hic et nunc, sed Öxit ad portas dixit Weber
Die spinnen, die Engländer, würden unsere Römer wohl gesagt haben.
Vor Allem die Alten, die Ländlichen, die Ängstlichen, die Abstiegsgefährdeten, die Arbeitslosen, die Bildungsfernen. Also alle, auf die wir Van der Bellen Wähler mit einer gehörigen Portion Arroganz und einem ziemlichen Unverständnis herabblicken.
Britische Wissenschaftler, Ökonomen, Geistliche, Sportler und sogar Geschäftsleute und Manager haben durchgehend einen Brexit abgelehnt, vor den Folgen gewarnt, gebeten, den Kopf und nicht den Bauch oder noch tiefer liegende Körperteile entscheiden zu lassen – es hat nichts genützt.
Brexit oder nicht: Alt gegen Jung. Bildung gegen bildungsfern.
Die Alten, die Ländlichen, die Ängstlichen, die Abstiegsgefährdeten, die Arbeitslosen, die Bildungsfernen haben einfach gesagt – das interessiert uns nicht. Denn ihr seid die Hautevolee (© Ing. Hofer), die G’stopften, das Establishment. Und für uns habt ihr außer schönen Worten nichts gemacht. Wir glauben einfach nicht mehr an eure Heilsversprechen. Wir wollen unser Leben zurück. Und das heißt, back to the good old days.
Ein Menetekel. Denn ich wage zu behaupten, dass alle Referenden in Zukunft gegen das von den Eliten Propagierte ausgehen werden. Einfach, weil die Alten, die Ländlichen, die Ängstlichen, die Abstiegsgefährdeten, die Arbeitslosen, die Bildungsfernen es denen da oben zeigen wollen – nach dem Motto „mit uns nicht“.
Da sollten wir uns schon fragen, ob sie nicht Recht haben. Nicht mit dem „back“, aber das mit dem Leben ist schon ein Thema – ein ernstzunehmendes.
Vermögende & Eliten als Profiteure
In allen westlichen Ländern (da schließe ich Nordamerika ein) sinken seit dem Siegeszug des Reagan/Thatcher Kurses, also seit zwei Jahrzehnten, die Realeinkommen für die große Mehrheit der Bevölkerungen.
Gleichzeitig steigt das Vermögen des obersten 1 Prozent und vor Allem des obersten 1 Promille (also ein Tausendstel der Bevölkerung) exponentiell an. Mittlerweile verfügt das oberste Tausendstel der Bevölkerung in diesen Ländern über ca. ein Drittel des gesamten Privatvermögens. Da aber das oberste Prozent über ein weiteres Fünftel verfügt und die obersten 10% der Bevölkerung über ein weiteres Fünftel usw. heißt das anders ausgedrückt, dass bei einer Bevölkerung von 8,5 Mio. wie in Österreich die reichsten 8.500 Personen genauso so viel Vermögen haben wie ca. 6.000.000 Österreicher zusammen!
Und diese 8.500 Personen zahlen keinen Euro Vermögenssteuer und eine Grundsteuer, die nur als Witz zu bezeichnen ist. Sie vererben ihr Vermögen oder verschenken es manchmal vor dem Tod. Die Nutznießer, die keinen wie immer gearteten Beitrag zu diesem Vermögen geleistet haben, erhalten dieses ohne einen Euro Steuern zu zahlen.
Dafür haben wir in Österreich eine der höchsten Steuern auf Arbeit in der Welt.
Fazit: wer etwas leistet, wird bestraft. Wer nichts leistet, wird belohnt. So einfach ist das, und alles andere sind Nebelgranaten jener, die davon profitieren und dementsprechend über die Mittel verfügen, um diese Nebelgranaten unters Volk zu werfen. Anm. d. Verf.: da ich einer aus der Elite bin (Achtung Bildungseilte!), weiß ich nicht, ob der Begriff Nebelgranate überhaupt noch verstanden wird; auch so ein Problem im Vermitteln von Botschaften.
Mehr privat, weniger Staat. Dieser (auch bei uns wohlbekannte) Slogan hat in England dazu geführt, dass alle Einrichtungen zum Wohle der großen Mehrheit der Bevölkerung genau zu ihrem Unwohle ausgehungert wurden, also das Gesundheitswesen, das Schulwesen, die Infrastruktur, der soziale Wohnbau, die Pensionen.
Tristesse pur
Meine Großmutter mütterlicherseits war Engländerin, meine Großtante väterlicherseits lebte in London, d.h. ich bin seit den 70er Jahren viel privat und immer wieder geschäftlich in UK unterwegs. Fahren Sie heute nach Birmingham, nach Norwich oder in den Norden Englands, und Sie werden erschüttert sein vom Abstieg ganzer Regionen. London ist natürlich anders – so wie New York nicht typisch für die USA ist. Auch dort Tristesse pur in Gegenden wie West Virginia, Michigan oder Kentucky.
Kann man den Alten, Ländlichen, Ängstlichen, Abstiegsgefährdeten, Arbeitslosen, Bildungsfernen wirklich verdenken, dass sie mürrisch sind, unzufrieden, völlig verunsichert, warum das so gekommen ist, und auf der Suche nach einer Verheißung um ihr Los zu bessern?
Nein, kann man nicht.
Der Boulevard und seine Geschichten
Nur wer liefert die Verheißung?
Im Boulevard genaue jene, die für das traurige Los verantwortlich sind!
Ob Sun, Daily Mirror oder sogar die Times; alle waren und sind in unfassbar polemischer und teils lügender Weise für den Brexit unterwegs, mit Geschichten, die an die Joghurtmärchen und Blutschokoladen von Haider erinnern. Und wem gehören diese Blätter? Einem gewissen Murdoch, einem der reichsten Männer auf der Insel.
Und welche Erklärungen werden geboten?
Vielleicht jene, dass alle Einrichtungen zum Wohle der großen Mehrheit der Bevölkerung genau zu ihrem Unwohle von den Tories, die Murdoch wie der gesamten Plutokratie Englands jeden Wunsch von den Augen ablesen, gekürzt wurden, also das Gesundheitswesen, das Schulwesen, die Infrastruktur, der soziale Wohnbau, die Pensionen.
Schuld sind … die Anderen
Nein, die Ausländer sind schuld. Die EU ist schuld. Dort wird ja auch verordnet, dass Kühe Windeln tragen müssen (eine der vielen Unwahrheiten der Murdoch-Tabloids, Tatsache). Diese Thesen sind sogar der einzige Inhalt einer ganzen Partei, der UKIP, von Nigel Farage. Die Verheißung heißt daher: wir holen uns die Kontrolle über unser Schicksal zurück, von den Ausländern, von der EU.
Einfach und wirksam, so wie Nebelgranaten halt sind.
Kommt einem Österreicher das alles bekannt vor?
Man ersetze Tories durch ÖVP, Murdoch durch Dichand und Fellner, und UKIP durch die FPÖ und dann frage ich: ist der Öxit so denkunmöglich, wie wir Van der Bellen Wähler so gerne glauben möchten?
Wenn es Kern schafft, die strukturellen Defizite der vergangenen 30 Jahre zu „framen“, d.h. jene wahren Ursachen des (auch nur vermeintlichen) Niedergangs vieler Bevölkerungsteile zu benennen, ihnen eine konkrete Zukunftsperspektive zu zeigen und ein radikal erneuertes Steuersystem mit jenen Kräften umzusetzen, die das Gesamtwohl der Gesellschaft als Metaziel verfolgen möchten, dann haben wir die Chance, einen Öxit zu verhindern und endlich auch in Österreich eine leistungsfreundliche (im Gegensatz zu vermögensfreundliche) Gesellschaft wiederherzustellen.
Ansonsten steht der Öxit wie weiland Hannibal ad portas, wird Strache Kanzler, Hofer Bundespräsident – und Weber auswandern.