Das Geheimnis der geglückten Lieferung. 10 Gedanken zum erfolgreichen Export.
Gedanke 6: Das Geheimnis der geglückten Lieferung.
In Sofia hatte gerade der Schneefall eingesetzt, ein Schleier aus weißen Flocken, der sich vom Süden her bedrohlich näherte. Simeon Petrov musterte den Himmel mürrisch. Sein Freund Borislav Zlatanov war gerade mit seinem Uralt Kamaz 5320 aus dem Piringebirge unterwegs zu ihm. „Wenn die frisch geschlägerten Tannen, die Borislav in Bansko aufgeladen hat, heute nicht eintreffen, kann ich mir die Kugel geben“, dachte er, und kaute verdrießlich an seinem schon im Mund zerfallenden Wrighley Spearmint. Schließlich stand Weihnachten vor der Tür, und die Ware war für Wien bestimmt – dänische Nordmann-Tannen feinster Qualität. Das Geschäft seines Lebens! Natürlich würde der Transport über die Schengengrenze nicht leicht werden, das war ihm klar. Aber es sollte noch genügend Zeit bleiben, denn mit der heimischen Spedition Bulgartrans war ein Spezialist für Ursprungsbescheinigungen gefunden, der auch wusste, welcher Grenzübergang die Zöllner mit den wenigsten Zores aufwies – Kulata. Und der Weihnachtstag am 7. Jänner war ja auch erst in 10 Tagen. Wenn nur der verdammte Borislav daherkäme, dann würde alles gut. Dann könnte er bei Lieferung in Wien gleich Bares kassieren und den Rest des Winters gemütlich die Sonne in seiner Berghütte nahe Sandanski genießen.
Der arme Simeon. Ein echter Logistikprofi sieht anders aus, oder?
Christbäume & die Heiligen Drei Könige: Just in Time, aber zur richtigen!
Beginnen wir mit dem Termin. Nicht umsonst gibt es den Fachbegriff Termingeschäft. Wie der Name schon andeutet, sollte die Ware zum Termin eintreffen, da sie ansonsten wertlos wird. Der Christbaum zu den Heiligen Drei Königen in Österreich ist zwar ein Baum, aber für den hiesigen katholischen Brauch am Heiligen Abend nutzlos. Dass die Feiertage bei den Orthodoxen noch dem julianischen Kalender folgen, unsere aber dem Hl. Gregor zu verdanken sind, hätte Simeon checken sollen. Auch hier gilt aber meine lieben Mitteleuropäer: Hochmut kommt vor dem Fall! Denn solche und ähnliche Fallen lauern überall in anderen Kulturkreisen. Es genügt ja oft schon eine andere Zeitzone um Terminverwirrung zu stiften.
Dass unser Simeon Borislav auf dem alten Sowjet-LKW keine Winterreifen einsetzt, zeigt zwar von eisernem Sparwillen, könnte jedoch Sparen am falschen Platz sein. Denn die alte Weisheit von Thomas Bacon, dass Zeit Geld ist, gilt auch bei Frächtern – verlorene Zeit kann viel Geld kosten, sehr viel. Man denke nur an Pönalen bei JIT (just in time) Lieferungen.
Und wenn wir schon bei den beliebten Kürzeln sind. Wie sah der Auftrag von Simeon an seinen Spediteur, der Bulgartrans, im Detail denn aus? FCA, CPT oder gar DAP? Hoffentlich nicht „FOB“, denn per Schiff werden seine schönen Tannen wohl nicht nach Wien gelangen. „Frei Haus“ (auf Bulgarisch) wäre auch interessant, da nicht in den INCOTERMS definiert, und nach deutschem Recht sogar eine Holschuld. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, so wie die folgende.
Rostige Kartoffeln in Japan. Nicht ganz, aber fast.
Ein Kunde von mir lieferte Biokartoffeln in Dosen nach Japan, denn in Japan wachsen Kartoffeln nicht so toll – also gibt es auch keine Biobauern, die Erdäpfel anbauen. Mein Kunde dachte sich, 120 Millionen Einwohner sollten ein schöner Markt sein. Also sandte er die ersten Paletten auf die Reise. Diese sind schwer, die Seefracht daher die logische Wahl. Japan ist aber weit, die Reise dauert lange, die Luft ist rau – und sehr salzig. Das wurde ihm bei der ersten Lieferung zum Verhängnis. Die Dosen korrodierten! Japan sagte Sayonara, wir wollen mit diesem Gaijin nichts mehr zu tun haben. Traurig.
Die Moral von der Geschicht – vergiss die Verpackung nicht! Denn mit einer ordentlichen Seeverpackung wäre dieses Desaster nicht passiert, und Bobos in Tokio würden heute nach Bioerdäpfeln aus dem Waldviertel geradezu süchtig sein.
Für Tipps zu Verpackern schreiben Sie mir einfach ein email an emil.weber@expertise.co.at.
Dass der effiziente Umgang mit Zollbehörden in vielen Ländern außerhalb der EU eine eigene Wissenschaft darstellt, Stichwort Russland, hat sich herumgesprochen. Hier kann ich nur einen Rat geben – wählen Sie Ihren Spediteur und Ihre Transportversicherer sorgfältigst aus. Hier gilt die Regel: big is beautiful.
Denn es gibt mehr Markteintrittsbarrieren als einem lieb sein kann, wenn es um die Eroberung eines neuen Marktes geht. Und da sollten Sie zumindest die Logistik im Griff haben.
Diesen Barrieren und deren Überwindung wollen wir das nächste Kapitel widmen, unter dem Motto:
Spieglein, Spieglein an der Wand, wird mein Produkt das schönste im fernen Land?