Vom Unternehmensberater zum Flüchtlingskonsulenten
Der Begriff Konsulent geht auf das lateinische “consulere” zurück; auf Deutsch: sorgen für, Sorge tragen, jemandem helfen. Und genau darum geht es in der aktuellen Aufregung um das Thema Flüchtlinge, Asylwerber, Migranten, Ausländer. Tragen wir doch gemeinsam Sorge dafür, dass sich Rationalität mit Menschlichkeit verbindet, um eine neue, wenn auch nicht wirklich überraschende Situation angemessen zu behandeln.
Als Business Consultant pflege ich Fakten zu analysieren, daraus Schlüsse zu ziehen und zielorientierte Aktionen abzuleiten.
Ad Fakten
In Österreich leben dzt. ca. 8,5 Mio. Menschen. Diese bewohnen ca. 2,2 Mio. Gebäude mit rund 4,5 Mio. Wohneinheiten (inkl. Eigenheime, Eigentumswohnungen, Mietwohnungen etc.; Quelle: Statistik Austria). Anders ausgedrückt: auf jede Wohneinheit kommen statistisch 1,89 Bewohner. Diese Zahl entspricht aber sicher nicht unserem Gefühl. Im Schnitt leben doch sicher mehr Menschen in einer Wohneinheit als deutlich weniger als zwei Personen.
Das Gefühl trügt nicht. Die Statistik Austria sagt 2,26 Personen/Haushalt. Des Rätsels Lösung: Heime, Gefängnisse und Internate, aber hauptsächlich Nebenwohnsitze und der Leerstand.
Dieser kommt in verschiedensten Ausprägungen zustande. Da ist zunächst der beliebte Zweitwohnsitz im Grünen, dann die Vorsorge für das Ausgedinge oder den Nachwuchs, und schließlich der Sanierungsbedarf, der den längerfristigen Aufenthalt vergällt.
Interessanterweise existieren keine Zahlen über den Leerstand in Österreich. Ein Schelm, der dabei Böses denkt. Oder könnte es sein, dass viele gar kein Interesse daran haben, solche Zahlen zu erheben? Denn schließlich könnte ich fragen: ist das Horten von Wohnraum ohne Nutzung nicht eine Fehlallokation von Vermögen? Vermögen, das durch öffentliche Förderungen aus Steuergeldern großzügig ermöglicht wird; Vermögen, das trotz dessen und der Tatsache, dass es brachliegt und keinen gesellschaftlichen Nutzen bringt, nicht besteuert wird; Vermögen, das im Laufe der Jahre an Wert gewinnt, wie von Zauberhand, ganz ohne eigene Leistung.
Unsere protestantischen Brüder im Norden machen ihre Hausaufgaben. In Deutschland sind ca. 3,3 Prozent der Wohneinheiten leer, aber potenziell vermietbar. Auf Österreich umgelegt (und die Verhältnisse sind durchaus grosso modo vergleichbar) entspräche dies einem nutzbaren Leerstand von ca. 220.000 Wohneinheiten.
Das erscheint deswegen plausibel, da es ca. 3,8 Mio. Hauptwohnsize gibt (=Haushalte), d.h. die Differenz zu der Anzahl der Wohneinheiten ca. 700.000 beträgt. Davon wäre ca. 1/3 Leerstand. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Wohneinheit beträgt knapp 100m².
Heuer schätzt das Innenministerium, dass ca. 80.000 Menschen um Asyl ansuchen werden. Bis Juli (7 Monate) waren es ca. 37.000 Anträge, davon ca. ein Viertel aus Syrien und ein Fünftel aus Afghanistan. Von den Antragstellern werden ca. 50% als Flüchtlinge gemäß Genfer Konvention anerkannt werden, also ca. 40.000 Personen.
Unter der Prämisse, dass diese 40.000 tatsächlich in Österreich bleiben, und davon ausgehend, dass eine Person mit 20 m² Wohnfläche bequem das Auslangen findet, benötigten diese 40.000 Personen ca. 8.000 Wohneinheiten.
Bei einem Leerstand von 220.000 Wohnheiten sprechen wir hier von ca. 3%–4%. Anders ausgedrückt: der aktuelle Leerstand an Wohneinheiten reicht für 25–30 Jahre, um die jährlich ankommenden und anerkannten Flüchtlinge bestens mit Wohnraum zu versorgen.
Aber wie?
Ad Menschlichkeit
Ich saß vor meinem Gartenhäuschen, sah in das sonnenbeschienene Paradies vor meinen Augen, genoss meinen morgendlichen English Breakfast und dachte mir — Emil, dir geht es so gut, wäre es nicht recht und billig, ein wenig von deinem Glück mit anderen zu teilen, denen dies Glück nicht beschieden ist?
Denn ich hatte die Zelte gesehen, und die armen Menschen, die dort ausharren mussten, im Morast, ihrer Würde beraubt.
Schon einmal hatte mich der Gedanke erfasst, unsere Gartenhütte am Riederberg zur Verfügung zu stellen. Das war vor einigen Monaten gewesen, als der Strom an Flüchtlingen anzuschwellen begann. Regina, meine Frau war ambivalent, verständlich. Ihr Herz sagte ja, Ihr Hirn sah die Schwierigkeiten und sagte nein. Auch ich konnte mich nicht überwinden, aus der Komfortzone herauszutreten. Zu viele Unwägbarkeiten, die Trägheit des Gewohnten und nicht zuletzt die Geißel der Bequemlichkeit fraßen meine Energie auf.
Jetzt, im Mai 2015 zerriss es mich aber innerlich. Es musste sein, egal was kommen mochte. Ich stand auf, ging in unser Haupthaus und sagte zu Regina: wir sollten es machen, jetzt. Wir laden eine Familie, egal woher, in unser Gästehäuschen im Garten ein. Dort können sie wohnen, schlafen, kochen, Wäsche waschen und haben auch einen Sanitärbereich mit Dusche. Es ist nicht groß, aber viel, viel besser als ein Zelt in Traiskirchen
Bist du dabei, hilfst du mit, stehst du das mit mir durch?
Ein Felsen fiel mir vom Herzen als sie, nach kurzem Zögern, bejahte. Wir beide wussten: wenn wir nicht lediglich Taufscheinchristen sein wollten, war es unsere Pflicht, aber auch Berufung, Nächstenliebe zu leben und nicht nur davon zu reden.
Wie es weiterging wurde schon mehrmals berichtet. Dazu gibt es folgende Links, für jene, die es interessiert:
ZIB2, 24.6.2015: Privatpersonen nehmen Asylwerber auf
[KGVID width=“640” height=“360”]https://www.expertise.co.at/wp-content/uploads/2014/05/EXP_ZIB2-Privatpersonen-nehmen-Asylwerber-auf-2015–06-24.mp4[/KGVID]
Wir haben einen Anfang gesetzt. Viele sind schon gefolgt, und es sind mittlerweile viel weniger als 7.999 Wohneinheiten notwendig, um unsere neuen Mitbürger menschenwürdig zu begrüßen.
Wenn wir Bürger unsere Herzen und leeren Wohnungen und Häuser öffnen, dann lösen wir nicht nur ein Problem. Sondern wir bringen so viel Glück und Wärme in unsere alternde und kälter werdende Gesellschaft, dass unsere Enkelkinder mit Stolz auf uns zurückblicken und uns danken werden.